Studien- und Berufswahl in der Psychologie

Kompetenzprofile und Tücken neuer Regelungen

Der Angestelltentag am 28. August rückt näher. Nachdem wir auf dieser Seite bereits seit Mai in mehreren Texten über Themen der Veranstaltung informiert haben, beenden wir die Serie mit einem Interview, für das uns Fredi Lang, Referatsleiter Fach- und Bildungspolitik beim BDP, zur Verfügung stand.

Warum beschäftigt sich der Angestelltentag am 28. August 2021 mit Psychologie-Studiengängen und der neuen Approbationsordnung sowie den beruflichen Chancen, die sie eröffnen oder nicht eröffnen – Studenten sind doch keine Angestellten?

Die Antwort ist mehrschichtig: Es gibt die Gruppierung „Studierende im BDP“. Darüber hinaus sehen wir in allen Studierenden des Faches künftige Mitglieder. Wir wollen ihnen helfen, die Weichen für ihr Berufsleben jetzt richtig zu stellen. Ich denke aber auch an all jene Psychologinnen, die angesichts der neuen Regelung verunsichert sind und sich bezogen auf die Übergangsfristen sich fragen, ob sie nun noch schnell die Approbationsausbildung machen sollen oder andere Wege der beruflichen Weiterqualifikation beschreiten. Schließlich fragen sich auch Arbeitgeber und Kostenträger und nicht zuletzt die Klienten welche Kompetenzprofile mit welchen Ausbildungsumfängen, -inhalten  und Berufsbezeichnungen verbunden sind. All dies wirkt sich auf die Anerkennung am Arbeitsmarkt und das berufliche Weiterkommen aus.

Was heißt „richtig“ in diesem Kontext?

Es geht darum, bestmögliche Chancen für viele Berufsjahre zu eröffnen, in denen persönliche und gesellschaftliche Veränderungen womöglich zur beruflichen Neu- oder Umorientierung veranlassen. Wir wissen z.B. nicht, wie sich die Ausbildungssituation der Psychotherapeut*innen und deren Niederlassungsmöglichkeiten in Zukunft entwickeln oder welche der Arbeitsfelder für Psycholog*innen wachsen bzw. neu entstehen werden. Die Psychologie als Fach bietet ausgezeichnete Voraussetzungen solche Veränderungen zu meistern, wenn ihr großes Potenzial denn Gegenstand der eigenen Ausbildung war.

Wenn Sie vergleichen, welche Hoffnungen und Erwartungen mit einer Neureglung der Studiengänge für Psychologie und den Voraussetzungen zur Ausbildung in Psychotherapie seinerzeit verbunden waren und was daraus geworden ist – wie fällt Ihr Urteil aus?

Das Ergebnis ist unbefriedigend. Von der weiterhin miserablen Entlohnung in der Aus- bzw. Weiterbildung wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen das könnte den Rahmen sprengen.  Für die akademische Ausbildung mit Erteilung der Approbation zur Psychotherapeutin und damit auch als Maßstab für die Anerkennung ausländischer Ausbildungen sind nur 180 Credits von 300 (!)definiert, 172 davon in Psychologie, vier in Medizin und vier in Pädagogik. Studienprofile der Psychologie auf Diplom-/Masterniveau enthalten regelhaft 260-270 Kreditpunkte in Psychologie. Es wäre nicht nur möglich, sondern notwendig gewesen, weit mehr Inhalte und insbesondere psychologische Inhalte in die Programme zu schreiben. Stattdessen wurden 120 Credits offen gelassen und damit zwei unklare Studienjahre kreiert.

Einerseits wollte man ein rechtlich durchgeregeltes Modell wie bei den Medizinern, andererseits hat man durch die offenen Credits im Umfang von einem Drittel der gesamten Ausbildung aber genau das nicht geschaffen.

Wie kann Orientierung für  Studierende und Berufsangehörige aussehen?

In der konkreten Beratung der Mitglieder geht es um die Zielgruppen und Themen in den Settings, im Vortrag werden die Profile  in Inhalt und Umfang einschließlich ihrer Kompetenzen dargestellt. Dabei werden sowohl Profile von Bachelor, Master und Diplomabsolventen als auch Weiterbildungsprofile im Bereich der Fachpsychologinnentitel beispielsweise in Rechtpsychologie, Palliativ Care, Rehapsychologie etc. vergleichend gegenübergestellt. Es kann für die dauerhafte Berufszufriedenheit jeweils einen Unterschied machen, ob man als Fachpsychologin für Palliativpsychologie oder für Sportpsychologie tätig ist bzw. ob man die neutrale Rolle eines Gutachters oder die einer Therapeutin einnimmt. In der Karriereberatung geht es im Hinblick auf die Weiterbildungen im selben oder einem anderen Feld um die jeweils erwartbare Berufszufriedenheit und mögliche Aufstiegschancen in Gehalt oder Position sowie um den für den beruflichen Schritt erforderlichen Aufwand. Bei ausreichender und damit anschlussfähiger fachlicher Basis sind Weiterqualifikationen in allen Bereiche möglich. 

Auch bei der Studienwahl und Schwerpunktwahl kann es bereits um eine grundsätzliche Orientierung gehen. Jede/r Studierende sollte sich bewusst sein: er entscheidet sich (oder hat sich bereits) für ein Psychologiestudium entschieden; die PT ist darin eine Spezialisierung. 35 Jahre Berufsleben werden viele Fassetten enthalten. Es ist also wichtig, eine breite Basis zu legen, von der aus viele Möglichkeiten offen bleiben. Es gilt sich zu fragen, welches Arbeitsfeld oder welche Arbeitsfelder kann ich mir für mich vorstellen, welches eher ausschließen? Mit welchen Belastungen oder auch Kulturen muss ich auf den verschiedenen Gebieten rechnen? Mein Rat: die werblichen Aussagen bei Studiengängen unter dem Aspekt betrachten, welche Möglichkeiten sie tatsächlich eröffnen, in welche Sackgassen sie aber auch führen können. 

Beispiele für verschiedene Profile in der Spezialisierung werde ich beim Angestelltentag liefern, bin aber auch offen für Fragen der Teilnehmer.

Beschreiben Sie uns vorab bitte e i n Beispiel.

Wenn man ein Studium lediglich mit den psychologischen Inhalten macht, wie es für die Approbation als Psychotherapeutin jetzt vorgeschrieben ist, hat man keine Anwendungskompetenzen in anderen Arbeitsfeldern z.B. in der Pädagogischen Psychologie oder in der Wirtschaftspsychologie. Vorgesehen ist der klinische Bereich der Ausübung von Heilkunde. Alles andere ist für solche Absolventinnenprofile praktisch eher unzugänglich. Wer keine wirtschaftspsychologischen Tests kennt, sondern nur Störungen feststellen kann, wäre z.B. in der Eignungsbeurteilung fehl am Platz. Personalabteilungen werden genau hinsehen, was eine neue Kollegin mitbringen würde und ob sie einen Schwerpunkt in relevanten wirtschaftspsychologischen Themen z.B. auch Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement hatte; wenn nicht, geben sie der Bewerberin vermutlich keine Chance.

In Landesschulgesetzen ist für die Aufgaben als Schulpsychologin ein Diplom in Psychologie bzw. ein äquivalenter Abschluss vorgeschrieben. Schwerpunkte der Aufgaben liegen insbesondere in der pädagogischen Psychologie und im gesundheits- und organisationspsychologischen Themenfeld „Gute gesunde Schule“. Man wird künftig angesichts wieder veränderter Studiengänge weiterhin und eher gründlicher prüfen, ob der Absolvent tatsächlich Psychologie oder nur ein Teilgebiet des Faches studiert hat. Was soll aus denen werden, die das neue sogenannte Psychotherapiestudium in der nicht breiten Form durchlaufen? Um am Markt zu bestehen, müssten sie über die erforderlichen Anwendungskompetenzen in Grundlagen- und Anwendungsfächern verfügen, wofür als Basis nur das übliche, breit angelegte Psychologiestudium Voraussetzungen bietet. Gleiches trifft auf ausländische Absolventinnen zu, die auf Basis der Approbationsordnung (s. o.) als Psychotherapeutin anerkannt werden

Zusammengefasst: Der Arbeitsmarkt schaut auf die Passung, welche Fächer hat jemand studiert, welche Praktika absolviert, worüber hat er seine Abschlussarbeit geschrieben? Und wenn jemand nur in der Psychiatrie Praxiserfahrungen gesammelt hat, bekommt er in der Wirtschaft absehbar eher keinen Job. Auch nach dem Abschluss  sind für die weiteren Karrierewege Fort- und Weiterbildungen und berufliche Erfahrungen in den jeweiligen Arbeitsfeldern, Themen und Zielgruppen von sehr  großer Bedeutung.

Manche privaten Hochschulen nehmen vielleicht Sportwissenschaft, Jugendhilfe o.ä, in ihre Studiengänge auf, weil man ja  alles irgendwann mal brauchen könne. Verstehe ich Sie richtig: Das meinen Sie nicht mit breiter Aufstellung?

Wenn dann größere Teile in der Psychologie fehlen, dann nützt das nichts für Tätigkeiten in der Breite der Anwendungsfelder in der Psychologie, sondern ist nur in einem speziellen Arbeitsfeld später gegebenenfalls nutzbar. Spezialisierungen in den einzelnen Themenfeldern sind eigentlich erst im dritten Abschnitt der beruflichen Entwicklung bezogen auf das Arbeitsfeld üblich und sinnvoll.

Ein solches Vorgehen würde aber gegebenenfalls der Hochschule Kosten sparen, die Studierenden vielleicht glücklicher machen, ihnen bessere Noten bescheren, weil der Stoff weniger anspruchsvoll und nicht so anstrengend ist. Sollten die privaten Unis ausscheren zu Lasten der inhaltlichen Breite und damit der Qualität, kann es sein, dass öffentliche Unis ihnen folgen. Der BDP wird untersuchen, welche Studiengänge dann noch zur Psychologie befähigen.

 Sind die erwähnten Hürden und Unklarheiten den Unis anzulasten oder beruhen sie auf einem Geburtsfehler?

Eher Letzteres. Man hat Durchlässigkeit vom alten zum neuen Modell bewusst vermieden. Das geschieht durch formale Hürden, berufsrechtliche Anerkennungen von beiden Studiengängen (ohne oder mit Wahlmöglichkeiten) durch die Approbationsbehörden. Das hat den Universitäten die Studiengestaltung sehr erschwert. Das Ergebnis: Es ist nicht mehr klar, wem welche Wege offen stehen und welche nicht. Das gilt insbesondere auch für die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen entweder für den Zugang zu einem Studium oder für die Erteilung der Approbation nach dem neuen Gesetz, aber auch für deutsche Absolventen im Hinblick auf den Zugang über die neue und/oder alte Regelung. Wenn man da insgesamt mit dem Fach Psychologie als Basis der Psychotherapie angemessener umgegangen wäre und nicht versucht hätte eine Trennung der Profile durch die Ausbildungslandschaft herbeizuführen, dann bestünden auch deutlich bessere Übergangsmöglichkeiten, Durchlässigkeit und Fairness.

Trifft es zu, dass die Masterstudienplätze insgesamt nicht ausreichen werden?

An den öffentlichen Universitäten deutet sich das an. Vermutlich werden 30 Prozent der Studierenden  den Weg nicht gehen können, der ihnen konkret vorschwebt.  Der BDP hatte vor zehn Jahren bereits 120 Prozent Master-Studienplätze gefordert, um den absehbaren Bedarf zu decken und damit eine kontinuierliche Ausbildung bis zum Masterniveau sichern zu können. Die damals erreichten 100 % drohen nun wieder verloren zu gehen und der Druck nach dem Abitur auch im Bachelor eine besonders gute Note zu erzielen erhöht sich weiter. Über Informationen und Beratungen zur Berufs- und Karriereplanung hinaus wird sich der BDP weiterhin für eine zur Vermeidung sozialer Härten ausreichende Anzahl von Masterplätzen stark machen. Das Gespräch führte Christa Schaffmann.