Internettherapie auch bei schwerer Depression

Metastudie liefert eindeutig positive Ergebnisse/Nicht auf alle Patienten übertragbar

Internetbasierte psychologische Interventionen sind ein sinnvolles Format zur Behandlung von Depressionen in der Allgemeinbevölkerung, selbst für Betroffene mit schweren Symptomen. Das haben Psychologen um Dr. David Ebert, Lehrstuhl Klinische Psychologie und Psychotherapie, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mit Hilfe einer Metastudie herausgefunden, für die sie 24 klinische Studien mit 4889 Patienten ausgewertet haben. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Journal „Clinical Psychology Review” veröffentlicht.

Die Online-Behandlung von psychischen Erkrankungen begegnet häufig Vorbehalten. Besonders Betroffene, die an schweren Symptomen leiden, sollen dafür nicht geeignet sein. Sie seien zu eingeschränkt, um das Internet nutzen zu können. In Großbritannien etwa, wo internetbasierte Psychotherapie bereits Teil der Gesundheitsversorgung ist, wird dieser Ansatz bisher nur für Patienten mit milden bis mittelschweren Symptomen der Depression empfohlen.

Sind diese Verfahren wirklich nicht wirksam bei Patienten mit schwerer Depression? Und haben solche Therapien einen Effekt, der klinisch bedeutsam ist? Welche Patientengruppen profitieren von der Vorgehensweise, welche Patienten sollten ausgeschlossen und klassisch – durch Psychotherapie vor Ort oder Medikamente – behandelt werden? Dr. David Ebert und Kollegen gehen diesen offenen Fragen nach. Dazu haben sie eine Metastudie durchgeführt. Dabei haben die Psychologen alle verfügbaren Datensätze von klinischen Studien zur Internettherapie bei Depression von den Wissenschaftlern gesammelt und analysiert. Diese Methode macht es möglich, herauszufinden, welche Patientengruppen mehr oder weniger profitieren, und welche Faktoren die Wirkung einer Therapie beeinflussen. Hierzu beschränkten sich die Autoren auf internetbasierte Interventionen, bei denen Patienten durch Therapeuten oder Coaches online bei der Behandlung unterstützt wurden.

Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Internettherapien können in der Tat zu klinisch bedeutsamen Veränderungen bei Depressionspatienten führen. Die Wahrscheinlichkeit, dass depressive Symptome sich verbessern, ist bei Inanspruchnahme von internetbasierter Therapie mehr als doppelt so hoch wie in Kontrollgruppen. Die Effekte sind vergleichbar mit Therapieformaten wie Psychotherapie oder antidepressiver Medikation.

Es gab keine Patientengruppe, die nicht von der Internetbehandlung profitierte. Auch ältere Betroffene, solche mit geringer Bildung oder auch Patienten mit sehr schwerer Depression wiesen substantielle Verbesserungen auf. Man muss sie also nicht grundsätzlich von der Behandlung ausschließen, lautet das Fazit der Metastudie von Ebert.

Dennoch müssen diese Ergebnisse im Kontext gesehen werden: Die untersuchten Betroffenen haben sich aktiv für die Behandlung im Netz entschieden. Das hat zur Folge, dass sich diese Befunde nicht unbedingt auf jeden Patienten mit Depression übertragen lassen. Sind Patienten aber interessiert und einer Behandlung via Internet aufgeschlossen, können Online-Behandlungen äußerst wirksam sein.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner

Dr. David Ebert
T 09131/85-67566
E david.ebert@fau.de

Originalpublikation

doi.org/10.1016/j.cpr.2018.06.007
„Do guided internet-based interventions result in clinically relevant changes for patients with depression? An individual participant data meta-analysis“ in: Clinical Psychology Review, Volume 63, July 2018, Pages 80-92.