Handlungsfreiheit je nach Arbeitsanforderung gewähren

Positive Effekte durch eigenständiges Entscheiden gelten nicht überall

Laut einer Eurofond-Erhebung beklagt rund jeder dritte Angestellte in der EU, bei der Arbeit unter zu hohem Zeitdruck zu stehen. Als psychisch belastend gilt auch, wenn Beschäftigte bestimmte Emotionen nach außen zeigen müssen, auch wenn diese nicht mit den tatsächlich erlebten Gefühlen übereinstimmen, z.B. im Kundenkontakt. Als entlastend bzw. dem psychischen Wohlergehen förderlich galt in der arbeitspsychologischen Forschung bisher generell die Schaffung von Handlungsspielräumen, also die Möglichkeit eigenständig entscheiden zu können, wann und wie eine vereinbarte Aufgabe bearbeitet wird. Unklar war bislang jedoch, ob sie bei unterschiedlichen Arbeitsanforderungen ähnlich positive Effekte aufweisen. PsychologInnen des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) haben jetzt die Wechselwirkung von Handlungsspielräumen und verschiedenen Arbeitsanforderungen untersucht.

Für die Studie wurden Beschäftigte eines Versorgungsunternehmens zweimal im Abstand eines halben Jahres befragt. Die Teilnehmer beantworteten Fragen zu ihrer Arbeitssituation in Form von Online-Fragebögen. Es wurde unter anderem erhoben, wie hoch sie ihre Handlungsspielräume am Arbeitsplatz einschätzen, wie erschöpft sie sich fühlen, ob sie oft unter Zeitdruck arbeiten und ob sie ihre Emotionen regulieren müssen. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass ein hohes Maß an Handlungsspielräumen während der Arbeit förderlich für die Gesundheit sein kann“, sagt IfADo-Studienautorin Anne-Kathrin Konze. Das gelte jedoch nicht für alle Berufe. Während sich Personen mit hohem Arbeitspensum und vielen Abgabefristen weniger erschöpft fühlen, wenn sie die eigenen Arbeitsabläufe selbst bestimmen können, fühlen sich Berufstätige, die bei der Arbeit ihre tatsächlichen Gefühlen anpassen müssen, durch große Handlungsspielräume eher mehr belastet. Die Psychologin erklärt diesen Befund so: „In anspruchsvollen Situationen, wie beispielsweise dem Umgang mit Kundenbeschwerden, ad-hoc selbst über eine Vorgehensweise zu entscheiden, kann die Beschäftigten zusätzlich belasten.“

In der Praxis sollten Arbeitgeber zunächst klären, was vom jeweiligen Beschäftigten schwerpunktmäßig verlangt wird. Ist die vorrangige Arbeitsanforderung ermittelt, kann entschieden werden, wie selbstständig jemand arbeiten sollte. Handelt es sich um Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck, sind Spielräume förderlich. „Bei emotional belastenden Tätigkeiten, beispielsweise im Service- und Verkaufsbereich, können jedoch vorgegebene Verhaltensstrategien entlasten und das Wohlbefinden des Personals steigern“, rät Arbeitspsychologin Konze.

Publikation:
Konze, A-K., Rivkin, W., Schmidt, K-H. (2017). Is Job Control a Double-Edged Sword? A Cross-Lagged Panel Study on the Interplay of Quantitative Workload, Emotional Dissonance, and Job Control on Emotional Exhaustion. Int. J. Environ. Res. Public Health, 14, 1608. doi: 10.3390/ijerph14121608 (Open Access)

www.mdpi.com/1660-4601/14/12/1608 Zum Paper (Open Access)

Kontakt
Anne-Kathrin Konze, Wissenschaftliche Mitarbeiterin „Flexible Verhaltensforschung“
T + 49 231 1084-237
E konze@ifado.de