Kölner Psychologen untersuchen Zusammenhang zwischen Nostalgie und Ablehnung kollektiver Schuld in den USA
„Make America Great Again“ – im vergangenen Wahljahr stieß Donald Trumps Wahlslogan bei vielen Amerikanern auf Zustimmung. Vorstellungen von der Größe und moralischen Überlegenheit des eigenen Landes haben in den USA eine lange Tradition und sind tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt. Nicht selten werden solche Vorstellungen in eine imaginierte „goldene Vergangenheit“ projiziert. Doch wie passt diese kollektive Nostalgie zu den historischen Ungerechtigkeiten, die das Land zu verantworten hat?
Eine neue Studie, die nun unter dem Titel „Nostalgia for America’s past can buffer collective guilt“ in der Fachzeitschrift „European Journal of Social Psychology“ veröffentlicht wurde, geht der amerikanischen Sehnsucht nach vergangener Größe nach. Es zeigt sich, dass Nostalgie auch der Herstellung sozialer Kohärenz in der Gegenwart dient.
Der Psychologe Dr. Matthew Baldwin vom Social Cognition Center Cologne der Universität zu Köln hat gemeinsam mit seinen beiden Kollegen Mark H. White II (University of Kansas/USA) und Daniel Sullivan (University of Arizona/USA) eine Reihe von fünf Studien durchgeführt. Dabei interessierte die Wissenschaftler der Zusammenhang zwischen kollektiver Nostalgie und kollektiven Schuldgefühlen. „Diejenigen, die eher zu einer Verherrlichung Amerikas neigen und die USA für das beste und moralischste Land der Welt halten, sind auch besonders nostalgisch“, sagt Baldwin. „Und diejenigen, die Amerikas Vergangenheit verherrlichen, neigen auch dazu, Amerika als moralisch überlegen anzusehen und seine Verbrechen herunterzuspielen. Das kann Schuldgefühle abmildern, beispielsweise bezüglich der Internierung japanischstämmiger Bürger während des Zweiten Weltkriegs.“
In einer Pilotstudie und vier weiteren Studien befragten die Psychologen jeweils zwischen 100 und 200 Personen. Sie fanden heraus, dass diejenigen, die besonders nostalgisch sind, weniger kollektive Schuldgefühle über vergangenes Unrecht verspüren. Unter den Probandinnen und Probanden, die Amerika darüber hinaus auch verherrlichen, riefen Erinnerungen an vergangenes Fehlverhalten eine spontane kollektive Nostalgie hervor. Nostalgie scheint also als eine Art Puffer gegen schlechte Gefühle zu sein, resümiert Baldwin. Sie diene zudem als Ressource zur Erhöhung der Kohärenz und des moralischen Selbstbildes der Gruppe. „Möglicherweise erlaubt die Nostalgie den Menschen, schlechte Taten als gut zu legitimieren – oder sie von dem auszuklammern, was ihrer Meinung nach Amerika ‚im Kern‘ ausmacht.“ Gemeinsam mit Dr. Joris Lammers vom Social Cognition Center Cologne untersucht Baldwin auch, ob Nostalgie generell den Zweck erfüllt, Schlechtes gut aussehen zu lassen. Seine Vermutung: Nostalgie scheint „eine treibende Kraft hinter vielen unserer Annahmen und Handlungen zu sein. Dies ist oft nützlich für das Selbst, kann aber für die Gesellschaft als Ganze destruktiv sein.“
Veröffentlichung
Matthew Baldwin, Mark H. White II, Daniel Sullivan. „Nostalgia for America’s past can buffer collective guilt.“ European Journal of Social Psychology, 5 January 2018. Link: onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ejsp.2348/full
Kontakt
Dr. Matthew Baldwin
Social Cognition Center Cologne an der Universität zu Köln
T +49 221 470 1101
E mbaldwin@uni-koeln.de