Umweltpsychologen fanden heraus, wie sich der Stress für Anwohner reduzieren lässt
Die Geräusche eines Windparks belästigen knapp ein Drittel der Anwohner eines Windparks gar nicht oder nur wenig. Jeder Zehnte erlebt dagegen Stresssymptome, wie Reizbarkeit oder Einschlafprobleme. Aber nicht nur der Lärm ist für die Betroffenen ein Problem, so fanden Psychologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) heraus. Die Umweltpsychologen um Prof. Dr. Gundula Hübner und Dr. Johannes Pohl von der MLU untersuchten für ihre Studie von 2012 bis 2014 einen Windpark in Norddeutschland. Dazu führten sie Befragungen mit den Anwohnern durch. Ihr Projektpartner UL DEWI (UL International GmbH) analysierte Tonaufnahmen der Windräder. Sogar das Wetter floss in die Betrachtung der Psychologen mit ein. So konnten die Forscher zum Beispiel herausfinden, dass die Geräusche der Windräder bei einer hohen Luftfeuchtigkeit und bei Frost stärker wahrgenommen wurden.
Ein weiteres Ergebnis: Bei knapp 10 Prozent der Befragten, die sich nach eigenen Angaben von den Windrädern belästigt fühlten, traten mindestens einmal pro Monat Stresssymptome auf. „Dazu gehören beispielweise Probleme beim Einschlafen, ein allgemein unruhiger Schlaf, negative Stimmung und eine stärkere Reizbarkeit“, erklärt Johannes Pohl. Als die Psychologen zwei Jahre später die Anwohner erneut befragten, war der Anteil an Personen, die unter mindestens einem konkreten Symptom litten, auf 6,8 Prozent gesunken. „Viele Anwohner gewöhnen sich an die Geräusche des Windparks oder sie finden sich damit ab.“ Gut ein Viertel der Betroffenen schließe nach eigenen Angaben nachts ihre Fenster.
Auffällig sei jedoch, dass gerade die Menschen weiterhin die größten Probleme mit den Windrädern hätten, die der Anlage ohnehin sehr kritisch gegenüber eingestellt sind. Diese Gruppe habe auch wenig Interesse daran gezeigt, Methoden zur Stressbewältigung zu lernen, so der Forscher. Das zeige, wie schwer es ist, bereits etablierte Einstellungen wieder zu verändern. Die Umweltpsychologen der Uni Halle schlagen deshalb vor, die Probleme und Bedenken der Anwohner bereits in der Planungsphase offensiv anzugehen. „Wie die Anwohner die Planungs- und Bauphase erleben, ist ein entscheidender Indikator dafür, wie stark oder schwach sie am Ende von den Windanlagen beeinträchtigt werden“, fasst Pohl zusammen. Deshalb sei es wichtig, die Phase als möglichst positive Erfahrung zu gestalten. Das könne zum Beispiel über frühzeitige Informationskampagnen und Bürgerversammlungen geschehen. Außerdem sollten die Anwohner nach Möglichkeit in die Planung einbezogen werden.
Besonders störend empfunden wurde ein unregelmäßiges Pulsieren der Lautstärke durch Wind und Bewegung der Rotorblätter. Ein leises, gleichmäßiges Hintergrundrauschen lasse sich dagegen besser ignorieren, so der Forscher. Die meisten Beschwerden traten während der Nacht- und der frühen Morgenstunden auf, wenn es wenig andere Geräusche gibt. Die Nähe der eigenen Wohnung zum Windpark hat der Studie zufolge dagegen keinen nennenswerten Einfluss auf die Belästigung der Anwohner.
Ihre Studienergebnisse bringen die Psychologen aus Halle unter anderem in das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt „TremAc“ ein: Dort arbeiten zehn universitäre und kommerzielle Forschungseinrichtungen an einem neuen Konzept zur Vorhersage von Schall und Erschütterungen durch Windkraftanlagen. Mit diesem Modell soll das Zusammenspiel der beiden Faktoren besser verstanden und vorhergesagt werden können, um unter anderem die Geräusche von Windenergieanlagen auch für Betroffene angenehmer zu gestalten.
Originalpublikation:
Johannes Pohl, Joachim Gabriel, Gundula Hübner, Understanding stress effects of wind turbine noise – The integrated approach, In Energy Policy, Volume 112, 2018, Pages 119-128, ISSN 0301-4215, DOI: 10.1016/j.enpol.2017.10.007