Konflikte lösen helfen durch politische Psychologie

Israelische Psychologin forscht gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Jena

Der Nationalismus hat sich breitgemacht im vereinten Europa. Das zeigen nicht nur die diesjährigen Wahlergebnisse in Staaten wie den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Österreich. Immer deutlicher gelingt es bestimmten politischen Gruppierungen, mit scheinbar einfachen Antworten auf komplizierte Fragestellungen Menschen für sich zu vereinnahmen. Populistische Ideologien gewinnen an Einfluss auf Politik und Gesellschaft. Doch warum sind eigentlich so viele Menschen empfänglich für diese simple Sicht auf die Dinge? Welche psychologischen Prozesse liegen dieser Entwicklung zugrunde?

Auf der Suche nach Erklärungen, die die Realität vereinfachen

Die politische Psychologin Dr. Julia Elad-Strenger versucht Antworten auf diese Fragen zu finden – für ein Jahr tut sie das nun auch an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, unterstützt mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Im Besonderen widmet sie sich den politischen und psychologischen Ausprägungen von Ideologien, wie dem Ethnonationalismus. „Grundsätzlich ist das Thema aus psychologischer Perspektive sicher kein neues Phänomen, denn gerade wenn sich Menschen in ihren Lebensgewohnheiten, ihrer Identität und ihrem Besitz bedroht fühlen, dann suchen sie zum einen Bindung zu gleichförmigen Gruppen und zum anderen Erklärungen, die ihre Realität vereinfachen“, sagt Julia Elad-Strenger. Bis zur Konkurrenz zwischen dem „Wir“ und „den Anderen“ sei es dann nur noch ein kurzer Schritt. „Grundsätzlich kenne ich das aus meinem Heimatland Israel“, sagt die Psychologin. „Allerdings spaltet dort ein andauernder innerer Konflikt die Gesellschaft – den gibt es nicht in Deutschland, nicht in Österreich und auch nicht in den USA. Dort müssen es andere Bedrohungsszenarien sein, die eine Eigendynamik entwickeln und die Situation derzeit besonders machen.“ Verstärkt werde die gefühlte Gefahr durch Medienphänomene. Einerseits stünden uns zwar so viele Informationen wie noch nie zur Verfügung, andererseits führe das zu vielen verschiedenen Wahrnehmungen, bei denen die Wahrheit mitunter auf der Strecke bleibe.

Zuhören statt diskutieren

Trotz der Unterschiede nutzt sie die besondere Situation in Israel, um zu verstehen, wie Konflikte im Kleinen entstehen. Dazu reiste sie beispielsweise mit einigen Kollegen ins Westjordanland, um sich mit den verschiedenen Siedlergruppen zu unterhalten und ihre Perspektive kennenzulernen. „Wir wollten ausschließlich zuhören und nicht diskutieren – was nicht immer leicht war„, sagt Prof. Dr. Thomas Kessler von der Universität Jena, der seit einiger Zeit mit Elad-Strenger zusammenarbeitet und sie auch auf der Exkursion begleitet hat. „Dadurch erhielten wir aber einen umfassenden Einblick in die Vielseitigkeit der Denkweisen.“ Solche Begegnungen seien wichtig, um die komplizierte Gemengelage in Israel zu verstehen und gleichzeitig die damit verbundenen Dynamiken aufzudecken, die möglicherweise auch hinter anderen Konflikten dieser Art wirken. „Unsere Arbeit kann Vorurteile abbauen und somit auch politische Probleme lösen„, ergänzt sein israelischer Gast. „Allerdings nur, wenn man unvoreingenommen arbeitet.“ Auch die Politik habe das inzwischen verstanden und suche zunehmend den Kontakt etwa auch zu politischen Psychologen.

Kontakt
Prof. Dr. Thomas Kessler / Dr. Julia Elad-Strenger
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
T 03641-945254
E thomas.Kessler@uni-jena.de, julia-elad-strenger@uni-jena.de