„Likes“ führen in die falsche Richtung

US-Psychologe Mitch Prinstein unterscheidet zwischen beliebt und angesehen

„Menschen, die als Kinder unbeliebt waren, sterben als Erwachsene eher als andere.“ Diese These vertritt der US-amerikanische Psychologe Mitch Prinstein in seinem Buch „Popular“. Diabetes und Herzkrankheiten seien bei ihnen viel wahrscheinlicher. Selbst wenn man andere Sterblichkeitsfaktoren vergleiche wie etwa den sozialökonomischen Status der Eltern oder vorangegangene Erkrankungen, bleibe der Beliebtheitsgrad als Kind fürs Leben entscheidend. „Nur Rauchen hat noch eindeutigere Auswirkungen auf die Sterblichkeit“, so Prinstein.

Unter beliebt versteht Prinstein nicht die in Social-Media-Kanälen verbreiteten Kriterien wie Likes oder Follower. Diese oberflächliche Bewertung bereitet eher ihm Sorgen, weil sie Kindern nahelegt, dass sie glücklich werden, wenn sie in der Hierarchie oberflächlicher Beliebtheitswerte weit oben rangieren. „Meine Forschung sagt allerdings, dass Kinder, die sich nur über ihr Ansehen und nicht über persönliche, angenehme Beziehungen definieren, weitaus größere Probleme im Erwachsenenalter haben.“ Bereits seit den 1980er Jahren beobachte die Wissenschaft immer mehr Menschen, die sich um ihr gesellschaftliches Prestige sorgen und weniger um ihren persönlichen Sympathiewert. „Das ist beängstigend“, sagt Prinstein, „weil es den Fokus auf das Individuum lenkt und weg von der Gemeinschaft und von Beziehungen.“ Wer unter dem Druck des zunehmenden Beliebtheitszwangs dauernd nach höherem Ansehen strebe, müsse ständig darüber nachdenken, wie er besser als alle anderen wird. „Das kann zu aggressivem Verhalten führen – ein altbekannter Weg, um Macht und Bekanntheit zu erlangen.“

Diejenigen, die als besonders angenehme Mitmenschen gelten, profitieren Prinstein zufolge im Laufe ihres Lebens sowohl beruflich wie privat von zahlreichen Vorteilen. Als Beispiele nennt er Erfolg im Beruf, Einkommen, glücklichere Ehen. „Die anderen, die sich immer nur um ihr öffentliches Ansehen kümmern, haben laut unseren Untersuchungen ein viel größeres Risiko für Beziehungsprobleme, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Angststörungen und Depressionen.“

Prinstein sieht mehrere mögliche Erklärungen für diesen Sachverhalt: „Eine beliebte Person bekommt … mehr Chancen, sich Wissen und Kompetenzen anzueignen.“ Sie erlange auch mehr Informationen und Ressourcen, weil andere gern Zeit mit ihr verbringen, Informationen mit ihr teilen, sie gern „dabei haben“ wollen.

Als ein Beispiel dafür, wie das eigene Ansehen geradezu zur Obsession werden kann, verweist der Psychologe auf den US-Präsidenten Donald Trump. Er zähle zu denjenigen, die nach immer höherer Popularität strebten und nie angekommen seien. Privates Glück funktioniere so eher nicht.