18 Fragen rund um Gesetze und Regelungen an Walter Roscher, Vorstandsmitglied der Sektion ABP
Was ist überhaupt Urlaub?
Arbeitsrechtlich gesehen beschreibt der Begriff Urlaub das Fernbleiben vom Arbeitsplatz unter Fortzahlung der Bezüge. Jeder Erwerbstätige hat das Recht auf Erholungsurlaub. Wie das Wort schon sagt, geht es um Erholung und nicht um freie Zeit, in der man einer anderen Tätigkeit nachgeht.
Es ist Haupturlaubszeit. Überall im Land beginnt spätestens jetzt die Debatte darüber, wer in den beliebten Sommermonaten Urlaub nehmen kann und wer ggf. zurückstehen muss. Was sagt das Gesetz bzw. was sagen die tariflichen Regelungen dazu?
Der Urlaubsanspruch bezieht sich immer auf den Urlaub als solchen und nicht auf eine bestimmte Zeit im Jahr. Wann Urlaub gewährt wird, entscheidet der Arbeitgeber. Bei rechtzeitiger Planung und guter Abstimmung im Team wird versucht, Wünsche zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann aus betrieblichen Gründen oder unter sozialen Gesichtspunkten einen Urlaubsantrag aber auch ablehnen. So ein sozialer Gesichtspunkt ist z.B. bei Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern gegeben.
Sie haben eingangs die Fortzahlung der Bezüge während des Urlaubs erwähnt. Damit ist nicht das Urlaubsgeld gemeint oder?
Nein. Urlaubsgeld war früher im BAT verankert; es ist jetzt nicht mehr Gegenstand von Tarifverträgen. Nach der im Juni 2017 veröffentlichten alljährlichen Auswertung von Tarifverträgen aus 22 Branchen und einer ergänzenden Online-Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung erhalten nur noch 43 Prozent der Beschäftigten Urlaubsgeld. Die Höhe der Sonderleistung schwankt stark nach Branchen: Zwischen 156 Euro im Steinkohlenbergbau und mehr als 2.300 Euro in der Holzindustrie im Westen Deutschlands. In der Industrie Beschäftigte haben im Schnitt bessere Chancen auf ein Urlaubsgeld als Mitarbeiter im Dienstleistungssektor.
Angenommen, ich habe erst im April bei einer Klinik angefangen zu arbeiten – kann ich dann bereits in diesem Sommer Urlaub nehmen?
In den ersten sechs Monaten wird zwar Monat für Monat anteilig ein Urlaubsanspruch erworben, Urlaubstage nehmen kann man in der Regel jedoch erst nach Ablauf der 6 Monate.
Heißt das generell, dass der jährliche Urlaubsanspruch erst erworben werden muss, bevor man Urlaub nimmt; im April also maximal ein Viertel der Urlaubstage?
Nein. Jahresurlaub ist immer als Ganzes zu sehen. Vom Januar an hat man das Recht auf den gesamten Urlaub. Kommt es im Verlauf des Jahres zu einer Kündigung, werden die genommenen Urlaubstage verrechnet.
Wie viele Urlaubstage stehen Erwerbstätigen zu, und wonach richtet sich die Zahl der Tage?
Das Bundesurlaubsgesetz schreibt für alle einen Urlaubsanspruch auf 24 Werktage bei einer 6-Tage-Arbeitswoche vor. Mit anderen Worten, wer 5 Tage in der Woche arbeitet, hat Anspruch auf 20 Urlaubstage; bei Teilzeit entsprechend weniger. Über diesen gesetzlichen Anspruch hinaus können tarifvertraglich oder/und innerbetrieblich Urlaubstage vereinbart werden. So sieht der Tarifvertrag der Länder (TVL) in § 26 z.B. bis zum 30. Lebensjahr 26 Urlaubstage, bis zum 40. Lebensjahr 29 und danach 30 Urlaubstage vor. Nach der Kirchlichen Dienstordnung (KDO EKHN) gibt es 30 Tage Urlaub ohne Staffelung. Schwerbehinderten stehen zusätzlich per Gesetz weitere Urlaubstage zu.
Welche Folgen hat eine Erkrankung im Urlaub für die dem Mitarbeiter zustehenden Urlaubstage?
Urlaub soll der Erholung dienen; Krankheit ist damit unvereinbar. Also werden die durch die Krankheit verlorenen Urlaubstage nachträglich gewährt. Wann das geschieht, muss erneut mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.
Wann und wie erfolgt der Nachweis für die Erkrankung?
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss im Urlaub genau wie sonst dem Arbeitgeber übermittelt werden. Bei einem Aufenthalt im Ausland ist mit Blick auf einen eventuell längeren Postweg kurzfristig eine E-Mail vorab zu empfehlen.
Welche terminlichen Spielräume existieren für den Jahresurlaub?
Grundsätzlich ist der Urlaub im Kalenderjahr, also bis spätestens 31. Dezember zu nehmen. Unter besonderen Umständen oder, wenn der Tarif es entsprechend regelt, kann diese Frist auch bis 31. März des Folgejahres ausgedehnt werden.
Und wenn das z.B. wegen einer längeren Krankheitsdauer nicht möglich ist?
Bei längerer Krankheit gelten spezielle Regelungen. Die Frist kann bis zu maximal 15 Monaten verlängert werden. Es kann allerdings sein, dass sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall auf den gesetzlichen Mindesturlaub zurückzieht und nur noch diesen gewährt. Das ist im Tarif jeweils festgelegt. Die Sektion empfiehlt daher, sich aus diesem und anderen Gründen den Tarif genau anzuschauen, bevor man einen Arbeitsvertrag unterschreibt.
Wie wichtig ist es überhaupt, sich Zeit für die vielen Paragraphen in Arbeits- und Tarifverträgen vor Unterzeichnung anzusehen?
Das ist sehr wichtig, ganz besonders bei Haustarifen. Ich empfehle es jedoch generell. Die Regelungen sind sehr unterschiedlich, so dass man bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht erwarten kann, die gleichen Konditionen wieder zu bekommen. Zudem lohnt es sich immer, das Bruttojahresgehalt zu vergleichen, bevor man sich endgültig für einen Arbeitsplatzwechsel in eine Einrichtung entscheidet. Das eventuell höhere Monatsentgelt kann darüber hinwegtäuschen, dass das Jahresgehalt sogar niedriger ist.
Wodurch kann das passieren?
Z.B. wenn ein Arbeitgeber Sonderzahlungen wie Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld auf die Monate umlegt oder wenn Sonderzahlungen gar nicht geleistet werden.
Unter welchen Bedingungen wird eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge gewährt?
Dieser in § 29 des TVL geregelte Spezialfall hat mit Jahresurlaub nichts zu tun. Die Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge bezieht sich z.B. auf die Geburt eines Kindes (1 Tag), den Tod des Ehepartners oder eines Elternteils (2 Tage), den Umzug aus dienstlichen Gründen (1 Tag), die kurzfristig nötige Pflege eines Angehörigen (4 Tage) und andere Fälle mehr. Auch für diese lohnt sich ein Blick in den jeweils geltenden Tarifvertrag bzw. die im kirchlichen Arbeitsrecht geltenden Arbeitsvertragsrichtlinien, die der Arbeitgeber künftigen Mitarbeiter zusammen mit dem Arbeitsvertrag aushändigen muss.
In welchen Fällen wird Urlaub ohne Fortzahlung der Bezüge gewährt?
Das liegt im Ermessen des Arbeitgebers. Der Wunsch danach sollte nach Möglichkeit mittel- oder sogar langfristig angekündigt werden, so dass er in die Personal- bzw. Dienstplanung einbezogen werden kann.
Kann der Arbeitgeber auch so etwas wie Zwangsurlaub verordnen?
Betriebsurlaub ist die richtige Bezeichnung dafür. Ein solcher wird meist aus dienstlichen oder fertigungstechnischen Gründen angeordnet. Arbeitnehmer sind verpflichtet, dafür Urlaubstage – natürlich unter Fortzahlung der Bezüge – zu nehmen. Viele Lehrer sind Jahr für Jahr durch die Ferien dazu gezwungen.
Bei Zwangsurlaub dachte ich auch an den für einen Arztbesuch ggf. erforderlichen Urlaubstag.
Ein Arztbesuch ist lauf Tarifvertrag in der Arbeitszeit möglich, vorausgesetzt man legt danach eine Bescheinigung vom Arzt vor. Die Stunden müssen nachgearbeitet werden.
Urlaubsgewohnheiten haben sich geändert; immer mehr Menschen entscheiden sich für Kurzurlaube. Ist das mit dem Ziel des Erholungsurlaubs vereinbar?
Medizinisch gesehen eher nicht. Aber das Gesetz schreibt die Anzahl der zusammenhängend genommenen Urlaubstage nicht mehr vor. Allerdings kann der Arbeitgeber wiederholte Kurzurlaube wegen mangelnden Erholungswerts kritisieren. Eine diesbezügliche innerbetriebliche Regelung ist möglich, wonach dann mindestens zwei oder gar drei Wochen am Stück Urlaub genommen werden müssen.
So fürsorglich sind Arbeitgeber oft nicht, wenn es darum geht, Mitarbeiter im Urlaub anzurufen, ihnen E-Mails zu schicken, sie um ihre Meinung oder gar um eine Zuarbeit zu bitten.
Zulässig ist das alles nicht. Arbeitnehmer müssen im Urlaub nicht erreichbar sein – weder für Telefonate noch für E-Mails. Ihr Handy/Smartphone kann ausgeschaltet bleiben. Sie müssen nicht einmal eine Adresse angeben. Leider wird das von vielen Chefs nicht beachtet und von vielen Arbeitnehmern auch hingenommen. Dagegen gilt es sich zu wehren. Gerade Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten sollten wissen, welche Folgen die Entgrenzung von Arbeits- und Freizeit haben kann.
Das Gespräch führte Christa Schaffmann.