Gesellschaft hält psychisch Kranke für gefährlicher als sie sind

Menschen mit psychischen Krankheiten leiden unter starker sozialer Stigmatisierung. Zusätzlich zu den eigentlichen Krankheitssymptomen führt eine Diskriminierung durch die Gesellschaft zu weiteren Leiden wie Angst, Stress und niedrigem Selbstwertgefühl bei den Betroffenen. Um der Stigmatisierung zu entgehen, meiden Menschen mit psychischen Leiden häufig eine notwendige Therapie. Das Phänomen der Stigmatisierung von psychisch Erkrankten kennt viele Facetten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Tatsache, dass die Betroffenen oft als gefährlicher wahrgenommen werden, als sie eigentlich sind. Zwar kann eine kleine Zahl an psychischen Erkrankungen zu einem relativ erhöhten Gewaltrisiko führen, die meisten Menschen mit psychischen Störungen sind aber nicht gewalttätig.

Psychologen und Psychiater der Universität Basel und der UPK Basel beschäftigen sich mit der Frage, für wie gefährlich die Bevölkerung psychisch Erkrankte hält und welche Faktoren diese Einschätzung beeinflussen. «Wir wollen verstehen, ob eher das Wahrnehmen von Symptomen oder die Information, dass jemand in psychiatrischer Behandlung war, stigmatisierend wirkt», so Prof. Christian Huber.

Dazu befragten sie 10 000 Personen im Kanton Basel-Stadt. Anhand unterschiedlicher fiktiver Fallgeschichten mussten die Probanden einschätzen, für wie gefährlich sie die Person hielten. Die Hälfte der Fälle schilderte Symptome verschiedener psychischer Krankheiten (Alkoholabhängigkeit, Psychose, Borderline-Persönlichkeitsstörung). Die andere Hälfte berichtete über den Ort der psychiatrischen Behandlung (Allgemeinkrankenhaus, Psychiatrie, Psychiatrie mit forensischer Klinik).

Bei Fallbeispielen, die nur den Ort der Behandlung beschrieben und bei Fallbeispielen mit einer Beschreibung von Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten wurden die Patienten generell als gefährlich eingeschätzt. Eine Schilderung von Symptomen führte dabei zu stärkerer Zuschreibung von Gefährlichkeit, besonders bedrohlich wahrgenommen wurden Menschen mit Symptomen einer Alkoholabhängigkeit.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie besteht darin, dass die Art und Weise, wie die Psychiatrie Patienten behandelt, die Vorurteile beeinflusst, unter denen sie zu leiden haben. Eine Behandlung in einer psychiatrischen Abteilung in einem Allgemeinkrankenhaus war mit einer geringeren Gefährlichkeitszuschreibung verbunden als die in einer spezialisierten psychiatrischen Klinik. Außerdem zeigte sich, dass Menschen, die in der Vergangenheit persönlichen Kontakt mit der Psychiatrie oder psychisch Erkrankten hatten, das Gefahrenpotenzial generell geringer einschätzten.

Um Vorurteile abzubauen, so die Autoren, sollte der Kontakt zwischen Allgemeinbevölkerung und psychisch kranken Menschen gefördert werden. Eine realistische Information über das geringe Gefahrenpotenzial von Menschen mit psychischen Erkrankungen sei ebenfalls zu empfehlen. Des Weiteren könnte eine Verlagerung der stationär-psychiatrischen Behandlung aus eigenständigen Kliniken in Allgemeinkrankenhäuser die Entstigmatisierung fördern und die Ausgrenzung von Betroffenen verringern.

Diesen Weg beschreiten die UPK in Basel: «Wir haben die psychiatrische Kriseninterventionsstation ausgebaut, welche sich im Universitätsspital Basel befindet, sowie eine Akutambulanz im Stadtzentrum geschaffen, die einen niedrigschwelligen Kontakt mit der Psychiatrie ohne Voranmeldung ermöglicht», so Prof. Undine Lang, Koautorin der Studie und Direktorin der Erwachsenen-Psychiatrischen Klinik der UPK Basel.

Kontakt:
Dr. Julia Sowislo
Dipl.-Psych., Universität Basel und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
T 0041 61 325 58 78
E-Mail: julia.sowislo@upkbs.ch