Jugendliche, die viel elterliche Wärme und Unterstützung erleben, engagieren sich im jungen Erwachsenenalter seltener als angenommen, die weniger Zuwendung erhalten haben. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommen Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einer aktuellen Studie, die gemeinsam mit finnischen Wissenschaftlern durchgeführt wurde. Manche Eltern mögen sich in der Vergangenheit bereits gefragt haben, was denn schief gelaufen sei, wenn ihre Kinder trotz fürsorglicher, vertrauensvoller Erziehung und sozial verantwortungsbewusstem Handeln der Eltern später zu keinem vergleichbaren Engagement neigten. Die Wissenschaftler Dr. Maria Pawlowa (Uni Jena), Prof. Dr. Rainer Silbereisen (Jena) und ihre finnischen Kollegen Dr. Mette Ranta und Prof. Dr. Katarina Salmela-Aro (Jyväskylä und Helsinki) fanden heraus, dass die im Jugendalter erlebte elterliche Unterstützung eine signifikant geringere politische Teilhabe bis zu zehn Jahren danach vorhersagte. Mehr wahrgenommene Unterstützung der Eltern im jungen Erwachsenenalter bedingte zudem eine seltenere Ausübung von Freiwilligenarbeit zwei Jahre danach.
Ihre Aussagen stützen die Psychologen auf die Untersuchung von mehr als 1500 finnischen Schülern der Sekundarstufe zwischen 16 und 27 Jahren. Ähnliche Effekte sind laut Maria Pawlowa auch in einer deutschen Stichprobe aufgetreten. Über die Gründe gibt es verschiedene Vermutungen – angefangen von der guten sozialstaatlichen Absicherung in Finnland bis zu einer nicht mehr altersgerechten Unterstützung im jungen Erwachsenenalter. Eine emotionale Nähe zu den eigenen Eltern könne auch zu einer Falle werden, wenn sie junge Menschen davon abhält, sich um die Welt außerhalb ihres eigenen Kreises zu kümmern. Auch wenn die Befunde nicht überschätzt werden sollten, so machen sie aus Sicht der Autoren der Studie doch ein Problem deutlich: Eine nach üblichen Maßstäben gute Erziehung allen, ohne ausdrückliche Befürwortung zivilgesellschaftlicher Werte, reiche nicht aus, um eine im Gemeinwesen engagierte Generation junger Erwachsener entstehen zu lassen.