Sieben Thesen für die Arbeit der AG Zukunft

  1. Die gesellschaftliche Entwicklung („Postmoderne“) führt bei nahezu allen (insb. Bei den großen und traditionellen) Organisationen (Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden) zu:
    • Mitgliederschwund
    • Überalterung
    • Engagementsreduktion
  2. Die Bereitschaft (und Fähigkeit), sich längerfristig zu binden und sich (ehrenamtlich) zu engagieren, sinkt immer weiter.
    Beispiele:

    • Zunahme der Ehescheidungen
    • Zunahme der Vereinzelung (Anteil der Singlehaushalte in Großstädten bis zu 70 %)
    • Rückgang der Geburtenrate
    • Zunahme der Anzahl Alleinerziehender
  3. Das Bedürfnis sich zu engagieren (auch ehrenamtlich) findet seinen organisationalen Ort eher in zeitlich befristeten oder spontan sich bildenden Initiativen.
    Beispiele:

    • Stuttgart 21 statt Partei
    • Anti-TTIP
    • Attac (befasst sich inzwischen mit der gesamten Bandbreite der Probleme neoliberaler Globalisierung
    • Aktionsbündnis gegen Fremdenhass
    • Sportstudio statt Sportverein
  4. Das Gefühl der Sicherheit in die Zukunft schwindet zunehmend.
    Beispiele:

    • Arbeitsrecht: Rückgang der Festverträge, zumindest anfangs häufig Zeitverträge (in diesen Bereich gehört auch die sog. Generation Praktikum)
    • Rentenerwartungen und Alterssicherungen sind kaum überschaubar. Hinzu kommt das bedrohliche Problem der demographischen Altersentwicklung.
    • Arbeitsplatzsicherheit: Keiner weiß, wann seine Firma verkauft, umstrukturiert oder ganz geschlossen wird.
    • Beziehungssicherheit: Wie lange eine Partnerschaft, Ehe etc. hält, ist zunehmend unsicher.
    • Der Zweifel an der ökologischen Stabilität des Planeten Erde nimmt immer mehr zu.
  5. Zunahme des Individualismus: Gerade weil die Allgemeinverbindlichkeit von herkömmlichen Normen und Werten abnimmt bzw. verloren geht, nimmt das Bedürfnis des Individuums nach Sicherheit zu. Der „sichere“ Ort drückt sich in zunehmender Fürsorge im privaten Bereich aus.
    Beispiele:

    • Zunahme der Pflege von Freundschaften
    • Zunehmende Beachtung der eigenen Gesundheit (von veganer Ernährung bis Yoga) ; gleichzeitig z.Tl. vermehrter Konsum illegaler Substanzen
  6. Zunahme der narzisstischen Perspektiven: Die Erwartung z. B. an potenzielle Partnerschaften steigen so an, dass (längere) reale Partnerschaften kaum noch möglich sind.
    Die Prüfung von potenziellen Partnerschaften erfolgt zunehmend nach dem Modell des homo oeconomicus: Was bringt mir diese Partnerschaft (oder Mitgliedschaft) für mein Leben, für meine Karriere etc. – Stichwort Generation Y. (Oder aktuell Michael Nast: Generation Beziehungsunfähig, Verlag: Edel 2016)
  7. Besonders die jüngeren Generationen leben mit oder im Internet und nutzen deren kommunika­tiven und technischen Möglichkeiten. Die Motivation zum ehrenamtlichen Engagement z. B. in einem Berufsverband muss subjektiv mindestens folgende Kriterien erfüllen:
    • Das Engagement muss Vorteile z. B. für die berufliche Karriere bringen
    • Das Engagement muss sich wirtschaftlich lohnen
    • Das Engagement soll sich narzisstisch lohnen (z. B. Bekanntheit)
    • Das Engagement muss subjektiv erfolgreich sein, sprich: meine Fähigkeiten und Kenntnisse (z. B. Facebooknutzung) sind gefragt und kommen zur Anwendung
    • Die Kosten der Mitgliedschaft müssen an meine aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen angepasst sein
    • Das Ehrenamt sollte wenig instrumentelle Arbeit beinhalten und d. h. ein gutes Hintergrundoffice wird erwartet
    • Die bürokratischen Hürden sollten so gering wie möglich sein
    • Besonders zu Beginn der ehrenamtlichen Tätigkeit sollte eine Art Patenschaft bzw. kostenfreies Vorstandstätigkeitscoaching angeboten werden

Prof. Jürgen Hille
Stellv. Sektionsvorsitzender