Gute Vorsätze im Licht der Forschung

Vermeidungsverhalten lässt sich leichter ändern als Annäherungsverhalten

Jedes Jahr aufs Neue überlegen sich viele Menschen am Silvesterabend gute Vorsätze für das neue Jahr. Sie nehmen sich vor, mit einigen Gewohnheiten zu brechen. Doch Gewohnheiten zu ändern ist schwierig. Der automatische Griff nach dem Smartphone auf dem Nachttisch und das wiederholte Verschieben des Zahnarzttermins von Monat zu Monat sind solche Gewohnheiten. Allerdings besteht zwischen den Beispielen ein wichtiger Unterschied: das Smartphone zu nutzen ist eine Form des Annäherungsverhaltens, denn mit dem Griff zum Smartphone wird aktiv ein positiver Zustand aufgesucht. Den Zahnarzttermin zu verhindern hingegen ist eine Form des Vermeidungsverhaltens: indem man Monat für Monat wieder keinen Termin vereinbart, vermeidet man einen Zustand, den man sich als unangenehm vorstellt. Christof Kuhbandner, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg, hat sich gemeinsam mit seiner Kollegin Julia Haager gefragt: Welche Gewohnheiten sind leichter zu durchbrechen, Annäherungs- oder Vermeidungsgewohnheiten?

Um diese Frage zu beantworten, untersuchten sie in zwei Experimenten das Entstehen und anschließende Verändern von Gewohnheiten bei Annäherungs- und Vermeidungsverhalten. Versuchspersonen sahen vor sich auf einem Bildschirm zum einen eine kleine Figur (die die Versuchspersonen selbst repräsentieren sollte) und zum anderen das Foto eines bestimmten Objekts. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, sich ‒ also die Figur ‒ über entsprechende Tasten auf der Computertastatur zu manchen Objekten hinzubewegen und von anderen Objekten wegzubewegen. Im ersten Experiment wurden dabei Fotos von Alltagsobjekten gezeigt (z.B. Möbelstücke oder Fortbewegungsmittel), im zweiten Experiment Fotos von Personen, die entweder freundlich oder wütend dreinschauten. Die Versuchspersonen trainierten in einer ersten Phase, sich wiederholt bestimmten Objekten bzw. Personen anzunähern oder aber diese zu vermeiden, bis eine starke Verhaltensgewohnheit geformt war. In einer zweiten Phase sollten sie dann genau diese Verhaltensgewohnheit verändern. Anstatt mit Annäherung mussten sie jetzt mit Vermeidung reagieren und umgekehrt.

Die Auswertung der beiden Experimente ergab, dass beim Verändern von Gewohnheiten deutlich mehr Fehler gemacht wurden, wenn Annäherungsreaktionen verändert werden sollten. Beim Wechsel von Vermeidungs- zu Annäherungsreaktionen hingegen unterliefen den Versuchspersonen insgesamt weniger Fehler. In der ersten Phase des Gewohnheitserwerbs zeigte sich außerdem, dass selbst nach sehr intensivem Training Annäherungsreaktionen deutlich schneller gezeigt wurden als Vermeidungsreaktionen. Das Forscherteam sieht hier eine mögliche Erklärung für die Unterschiede in der Leichtigkeit der Gewohnheitsveränderung: da Annäherungsverhalten offenbar sehr schnell ausgelöst wird, fällt es schwerer, entsprechende Impulse durch gezielte Kontrolle zurückzuhalten.

Kontakt: Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Institut für Experimentelle Psychologie, Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie, Universität Regensburg
E-Mail: christof.kuhbandner@ur.de