Interview: Zündende Ideen haben eine Quelle

Am Beginn einer neuen Etappe berufspolitischer Arbeit startet Sektion Werbekampagne

Interview mit Elisabeth Götzinger und Laszlo Pota

Die Sektion Angestellte und Beamtete Psychologen startet eine eigene Kampagne zur Mitgliederwerbung. Das ist ungewöhnlich. Warum tun Sie das und an wen wenden Sie sich damit?

L.A. Pota: Wir wenden uns vor allem an sektionslose Mitglieder, freuen uns aber auch über alle anderen. Wir stehen am Beginn einer neuen Etappe berufspolitischer Arbeit und vor einem Generationswechsel an der Spitze. Die Lage für Psychologen hat sich verändert. Solange es den Bundesangestelltentarif gab, existierte eine große Sicherheit, was die Einkommensentwicklung und die Zuweisung von Aufgaben betrifft. Das ist vorbei – in Beratungsstellen genauso wie in Behörden und in der freien Wirtschaft. Alles ist frei verhandelbar. Wer nicht organisiert ist, wird schnell über den Tisch gezogen. Da schreibt z.B. ein Sozialpädagoge in seiner Eigenschaft als Leiter einer Beratungsstelle einem Psychologen vor, ob er Tests machen darf oder nicht. Berufseinsteiger und manchmal auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen haben die Fallstricke des neuen Systems (noch) nicht im Blick. Die SABP sieht sich als ihr Verbündeter und Ratgeber; ihnen helfen wir, ihre Rechte als Angehöriger eines Freien Berufes durchzusetzen

E. Götzinger: Verändert haben sich aber auch die Kommunikation-Wege. Ich denke besonders an die junge Psychologenschaft, um deren Zukunft es letztlich geht. Für sie sind das Internet, Twitter und Facebook Alltag, sie beziehen Informationen viel seltener aus Printmedien. Darauf muss die Sektion reagieren. Netzaffine Bachelor-Psychologen und Berufseinsteiger sind als neue Mitglieder gefragt.

Die Kampagne erscheint zudem notwendig, weil vieles, was die SABP macht, nicht auf großen Kongressen wie z.B. dem der Schulpsychologen stattfindet, sondern in Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di, in Gesprächen mit Arbeitgebern, bei Beratungen der Kultusministerkonferenz (KMK) und bei Anhörungen im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren usw.. Das ist nicht geheim, aber doch weniger sichtbar.

Beneiden Sie die anderen um ihr Sichtbar-Sein?

E. Götzinger: Nein, wir identifizieren uns viel zu sehr mit dem Gesamtverband, als dass wir anderen Untergliederungen Erfolge missgönnten. Aber wenn die SABP als Akteur zum Beispiel bei Gesetzgebungsverfahren – sei es beim Waffengesetz, beim Thema Inklusion oder zuletzt beim Gesetz über die Frauenquote – nicht wahrgenommen wird, dann werden die Wirkungsmöglichkeiten als aktives Mitglied dieser Sektion unterschätzt. Wir brauchen aber gerade Psychologen in unseren Reihen, die diese unmittelbare Demokratieerfahrung schätzen und auf Wirkmächtigkeit Wert legen.

Geht es etwas weniger abstrakt?

E. Götzinger: Seit ihrer Gründung 1987 hat sich die Sektion um Einfluss auf Gesetzgebungserfahrungen bemüht und diesen schließlich gewonnen. Dass Psychologen in diversen Stellenplänen überhaupt Berücksichtigung finden müssen, dass für bestimmte Positionen Psychologen und nicht Psychiater einzusetzen sind – all das ist dem Engagement der SABP zu verdanken. Der BDP wird seit damals bei jedem die Gesundheit oder Soziales betreffenden Gesetzgebungsverfahren befragt. Die Stelle des Referenten für Fachpolitik, heute kompetent besetzt durch Fredi Lang, ist daraus entstanden. Dennoch ist die SAPB noch bei vielen dieser Anhörungen dabei, weil es immer wieder um Berufsgruppen im Angestelltenbereich geht. Die KMK wird über die künftige Ausbildung von Psychologen und Psychotherapeuten entscheiden/ mitentscheiden; auch da wird die SABP mit am Tisch sitzen so wie zuletzt beim Gesetz über die Frauenquote waren.

L.A. Pota: Ver.di befindet sich gerade in Tarifverhandlungen für das Gesundheitswesen. Wo der Platz der Psychologen in der Gesundheitsversorgung künftig ist, das werden wir bei der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) mit beraten und darauf achten, dass sich das von dem SPD-Politiker Karl Lauterbach favorisierte Modell, nach dem Ärzte noch größeren Einfluss erhalten würden, nicht zulasten unserer und anderer Berufsgruppen durchsetzen wird.

Das klingt so, als würde die Sektion ständig für angestellte und beamtete Psychologen unabhängig von deren Tätigkeitsfeld und/oder der Zugehörigkeit zu einer Fachsektion Dienstleister sein. Verstehen Sie sich so?

L.A. Pota: Was wir tun, tun wir immer in enger Abstimmung mit den anderen Sektionen. Als für die Leitenden Psychologen“ ausgehandelt werden musste, was das Wort „Leitender“ jetzt bedeutet, nachdem es nicht mehr nur um eine bestimmte Anzahl von Untergebenen geht, haben wir mit den jeweiligen Kostenträgern und Institutionen verhandelt. Diese Gespräche haben vielen Klinischen Psychologen den Weg in die leitende Ebene gebahnt, anderen den in den Personalbereich der Wirtschaft. Das geschah natürlich nicht an den anderen Sektionen vorbei. Dass sie davon profitiert haben, war von Anfang an intendiert.

Worin liegt die I.E. besondere Stärke der SABP?

E. Götzinger: Wir verstehen uns als Ideengeber, als Initiator von Aktivitäten, an denen sich andere beteiligen können, was sie auch tun. Die SABP war es, die das Thema Inklusion gegen anfängliche Widerstände im Verband auf die Tagesordnung gebracht hat. Wir waren es, die zuletzt gerade noch rechtzeitig darauf hingewiesen haben, dass die Psychologen ihr Berufsbild unbedingt präzisieren und bekannt machen müssen; daraus ist eine Arbeitsgruppe entstanden, in der jetzt alle Sektionen vertreten sind. Das ist eine existenzielle Frage, sonst werden andere Berufsgruppen so viele Claims abgesteckt haben, dass  am Ende für uns kein Platz mehr bleibt.

Wachsam und kreativ sein, wenn Claims abgesteckt werden. An wen denken Sie da?

L.A. Pota: Ich denke an Ökonomen, die als Coach arbeiten, an Juristen und Philosophen auf dem Feld der Mediation, an Sozialarbeiter und -pädagogen, die an vielen Schulen und im Jugendhilfebereich bereits die Schulpsychologen ersetzen, und ich denke auch an Psychotherapeuten (PT). Die Versuche der Kammern, immer mehr Arbeitsfelder von Psychologen dem Berufsbild der PT einzuverleiben, sind nicht zu übersehen. Mit der AG Berufsbild, die auf Initiative unserer Sektion entstanden ist, retten wir Tätigkeitsbereiche für viele Kolleginnen und Kollegen inner- und außerhalb des Verbandes, und zwar nicht nur das der Klinischen Psychologen. Wir müssen uns gegen diese Übergriffe wehren.

Wenn Sie beide im Herbst nicht mehr für die 2016 beginnende neue Amtszeit antreten, gehen dann nicht „Vater und Mutter“ der genannten Initiativen oder anders gefragt: War und ist es die Sektion, die so inspirierend in den Verband hinein und auch aus dem Verband heraus wirkt oder waren es zwei Funktionäre, die mit Engagement, großer Sachkenntnis aus langer Berufstätigkeit und jahrzehntelanger Verbandstätigkeit diese Arbeit geleistet haben?

L.A. Pota: Es braucht immer und auf allen Ebenen Leute mit Ideen, nicht nur in Vorständen. Diese müssen dann auch noch vertikal und horizontal im Verband und wenn möglich darüber hinaus gut vernetzt sein. Wir hatten in der Sektion immer  solche Menschen.

Bereit zum Bohren dicker Bretter?

E. Götzinger: Es geht aber auch um Rahmenbedingungen, durch die die SABP zum Ideengeber werden konnte. Gerade weil wir keine Fachsektion sind, können wir ein größeres Feld im Blick haben. Wer also für den Berufsstand als Ganzes etwas bewegen will, gehört einfach in diese Sektion. Das ist ein Appell an alle bisher sektionslosen Mitglieder aber auch an diejenigen, die soziale Verantwortung gern übernehmen, als Schüler womöglich schon Klassensprecher waren, am Arbeitsplatz vielleicht im Betriebsrat wirken, sich gegen Ungerechtigkeit engagieren wollen, politisch interessiert sind und sich zutrauen, dicke Bretter zu bohren.