Von notwendigen Einsichten und dicken Brettern

Gespräch mit der neuen Präsidiumsbeauftragten für Tariffragen Juliane Dürkop

Sie sind Ende vergangenen Jahres als Nachfolgerin von Laszlo Pota zur neuen Präsidiumsbeauftragten für Tariffragen berufen worden. Wie beurteilen Sie die Chancen, in absehbarer Zeit Fortschritte in den Tariffragen zu erzielen, die BDP-Mitgliedern besonders am Herzen liegen?

Die Lage ist schwierig, seitdem vor einem Jahr die neue Entgeltordnung zum TVöD, gültig für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, greift. Darin werden Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten (PP) sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten (KJP) jeweils mit Approbation und entsprechender Tätigkeit in der Entgeltgruppe 14 (bisher 13) eingruppiert. Damit wurde die bisherige Eingruppierung zwar  verbessert, das eigentliche Ziel nach einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 15 aber noch nicht erreicht. Das hat seinerzeit selbst Arbeitgeber überrascht, die sich bereits auf die Entgeltgruppe 15 eingestellt hatten. Wir waren eine Art Bauernopfer, für das ver.di andere Tarifziele erreichen konnte.

Wieso zählten die Interessen der PP und KJP so wenig?

Weil unsere Berufsgruppe zu großen Teilen noch immer nicht verstanden hat, dass man zur Durchsetzung von Tarifzielen, aber auch zur Wahrnehmung anderer Rechte z.B. bei Streiks, Mitglied der Gewerkschaft sein muss. Manche Berufsgruppen sind zu großen Teilen in der Gewerkschaft organisiert, bei den PP und KJP könnten es noch mehr sein.

Ist das eine Theorie oder praktisch nachweisbar?

Das ist nachweisbar z.B. an Schleswig-Holstein, wo wir einen relativ hohen Organisationsgrad haben. Angefangen hat das vor vielen Jahren noch vor Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes in der Reha-Klinik Damp. Dieser Tradition sind viele Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein treu geblieben und konnten so für sich einiges erreichen. Das gilt übrigens auch für die Kieler Universitäts-Psychiatrie, die zwar ausgelagert aber eine 100prozentige Tochter des Uniklinikums ist. Es gab dort lange Zeit eine tariflose Situation. Dagegen wurde gekämpft. In dieser Phase sind viele Kolleginnen und Kollegen in die Gewerkschaft eingetreten. Und es hat sich gelohnt.

Aus Gesprächen weiß ich, dass einige Psychotherapeuten fürchten, die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft würde ihnen schaden; Arbeitgeber sähen die Organisation in der Gewerkschaft nicht gern.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir leben in einer Demokratie. Gewerkschaften sind keine Untergrundorganisationen, sondern gesellschaftlich gewollt. Sie erfüllen im Staat eine wichtige Aufgabe. Zudem ist niemand verpflichtet, seine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft anzugeben.

Worin werden Ihre ersten Schritte in der neuen Funktion bestehen?

Ich werde versuchen, mir mein eigenes Bild zu machen: von den Möglichkeiten, die wir haben, und von den gewerkschaftlichen Vorstellungen über kurz-, mittel- und langfristige Ziele. Ich werde mich auch mit den Chancen auf regionaler Ebene vertraut machen und mich bei der nächsten Wahl für die Fachkommission PP/KJP zur Verfügung stellen.

Heißt das, Sie werden demnächst durch das Land reisen und Verbündete für Ihre Arbeit in allen Bundesländern suchen?

Das kann ich schon zeitlich nicht. Ich bin voll berufstätig und übe die Funktion ehrenamtlich aus. Aber zum Glück leben wir im Zeitalter der Digitalisierung. Man kann Kontakte über E-Mails, in Telefon- und Videokonferenzen pflegen. Veranstaltungen des BDP, die sowieso stattfinden, können darüber hinaus genutzt werden, um zunächst mal innerhalb des Verbandes ein Bewusstsein für die Dringlichkeit der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft herzustellen, statt schmollend in der Ecke zu sitzen und sich über ver.di zu ärgern.

Ich habe gehört, dass ver.di auch weiter an der Forderung festhält, PP und KJP in die Entgeltgruppe 15 einzugruppieren und sie damit Fachärzten und –ärztinnengleichzustellen.

Erklärungen allein nützen uns nicht. So etwas muss gründlich vorbereitet werden zusammen mit der zuständigen Fachkommission. Unser Kollege Klaus Thomsen hat sich darum bemüht, den Vorstand von ver.di in dieser Frage zu einer eindeutigen Position zu bewegen. Daran müssen wir gemeinsam noch arbeiten.

Werden Sie darüber und über die Eingruppierung hinaus noch andere tarifliche Ziele ins Auge fassen?

In der Tarifpolitik müssen wir dicke Bretter bohren. Ich weiß, dass für andere Berufsgruppen – siehe Pflegepersonal und Krankenschwestern – noch eine ganze Reihe von Zielen auf der Agenda stehen. Ob das für uns gleichermaßen gilt, bezweifle ich, da unsere Berufsgruppe bereits von etlichen gesetzlichen Regelungen profitiert. Ich werde mir aber anhören, wie die BDP-Mitglieder darüber denken. Ein weiteres, wenn auch nicht tarifliches Ziel sehe ich darin, gewerkschaftlich bereits organisierte Berufskolleginnen und Kollegen für den BDP zu gewinnen. Wir brauchen In allen Untergliederungen, nicht nur in der Sektion ABP, Leute mit Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit, Leute, die in dem Thema drinstecken, bei Bedarf auch Verhandlungen mit Arbeitgebern führen können. Ich muss die Strategie nicht neu erfinden, will aber meine politischen Erfahrungen und meine Überzeugungskraft nutzen, um die Interessen der BDP-Mitglieder mit Erfolg zu vertreten.

Was erwarten Sie umgekehrt von der Führung des Verbandes und den Mitgliedern?

Ich erwarte die Unterstützung vom Verbandsvorstand und von anderen Funktionärinnen und Funktionären – vor allem dann, wenn ihr Wort oder ihre Anwesenheit entscheidend sein kann. Zudem hoffe ich auf ein aktives Mitdenken und Anregungen von allen – stt Missmut, wenn Arbeitgeber sich nicht wunschgemäß verhalten. Und ich wünsche mir, dass mehr Kolleginnen und Kollegen verstehen, wie das in diesem Land mit Tarifverträgen läuft. Inspiration erhoffe ich mir auch von der in anderen Fragen bereits kreativen „Arbeitsgemeinschaft Zukunft“.

Das Gespräch führte Christa Schaffmann.

(Aktualisiert am 21.03.2018)