Wie sich Erwartungen verändern – oder auch nicht

Psychologen untersuchen Phänomen der „Erwartungspersistenz“

Ein neues Graduiertenkolleg (GRK) an der Universität Marburg untersucht ab Herbst aus verschiedenen Blickwinkeln, ob und wie sich Erwartungen verändern, wenn etwas passiert, womit man nicht gerechnet hat. „Das ist eine sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftlich hoch relevante und aktuelle Fragestellung, die wir jetzt dank der Mittel der DFG vier Millionen Euro für zunächst vier Jahre) voranbringen können“, freut sich der Sprecher des GRK, Prof. Mario Gollwitzer. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Psychologische Methodenlehre am Fachbereich Psychologie. Der Ausbildungs- und Forschungsbetrieb beginnt ab Oktober 2017. An dem GRK sind 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Psychologie der Philipps-Universität beteiligt. Es sollen insgesamt 25 Dissertationen angefertigt werden.

Das GRK wird sich besonders mit der Frage befassen, warum Menschen ihre Erwartungen häufig beibehalten, auch wenn sie durch Erfahrungen widerlegt wurden. So zeigte sich etwa in der Sozialpsychologie, dass Vorurteile gegenüber einer fremden Gruppe trotz positiver Erfahrungen mit deren Mitgliedern fortbestehen. „Das Phänomen der Erwartungspersistenz wurde schon oft untersucht, doch es fehlt eine die psychologischen Disziplinen übergreifende Perspektive auf dieses menschliche Verhalten“, erläutert Prof. Gollwitzer den wissenschaftlichen Schwerpunkt des GRK.

Die Dissertationen, die im Rahmen des GRK „Beibehaltung vs. Veränderung von Erwartungen im Kontext von Erwartungsverletzungen“ erstellt werden, beschäftigen sich beispielsweise damit, ob es Persönlichkeitseigenschaften gibt, die bestimmen, ob eine Person ihre Erwartung ändert oder nicht. Fragestellungen sind unter anderem, wie sich die Erwartungen von Lehrkräften auf die schulischen Leistungen von Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen auswirken, oder wie Erwartungen die Wirksamkeit von Psychotherapie beeinflussen. Neben solchen anwendungsbezogenen Fragen werden die Promovierenden im GRK auch Antworten auf übergreifende Fragen suchen: Welche Botenstoffe im Gehirn spielen eine Rolle? Wie werden Erwartungen gelernt?

An jeder Dissertation sind neben dem oder der Promovierenden je zwei Marburger Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen der Psychologie beteiligt. Jedes Mitglied des GRK wird außerdem zusätzlich von einem internationalen Forscher oder einer Forscherin betreut. „Multidisziplinarität, unterstützende Supervision und internationale Einbindung sind die drei grundlegenden Aspekte des Kollegs“, erläutert Sprecher Mario Gollwitzer. „Die Mitglieder unseres Graduiertenkollegs werden in die Lage versetzt, ein Problem aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Sie können sich im Verlauf ihrer Promotion außerordentliches konzeptuelles und methodisches Wissen aneignen und sich ein großes internationales Netzwerk potenzieller Kooperationspartner aufbauen.“

Das GRK hat sich zum Ziel gesetzt, den Doktorandinnen und Doktoranden optimale Bedingungen zu bieten, sowohl in Bezug auf die Forschungsinfrastruktur als auch die soziale Unterstützung. So verfügt der Fachbereich beispielsweise über ein Virtual Reality Labor, das eine lebensnahe Simulation von Umgebungen und der Messung von Reaktionen erlaubt. Regelmäßige Treffen und Forschungsretreats des GRK dienen dem kollegialen Austausch und der intensiven Weiterbildung. Zusätzliche wissenschaftliche Qualifikationen eignen sich die Promovierenden des Kollegs in Workshops der MArburg University Research Academy (MARA) an. „Mit dem Graduiertenkolleg möchten wir unsere Promovierenden auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere vorbereiten, sowohl im Hinblick auf ihre fachliche, also inhaltliche und methodische Expertise, als auch in Bezug auf Softskills und strategische Fertigkeiten“, sagt Prof. Gollwitzer über die Ziele des neuen GRK.

Kontakt
Prof. Dr. Mario Gollwitzer, Leiter der Arbeitsgruppe Psychologische Methodenlehre, Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg
T 06421/28-23669
E mario.gollwitzer@staff.uni-marburg.de