Persönlichkeitsveränderungen aus Selbst- und Fremdperspektive

Vom Ende der Adoleszenz bis ins junge Erwachsenenalter erleben viele Menschen positive Veränderungen ihrer Persönlichkeit. Frühere Studien zu dieser als Persönlichkeitsreifung bezeichneten Entwicklung beruhten nur auf Selbstbeschreibungen der eigenen Persönlichkeit, weswegen nur wenig darüber bekannt ist, ob auch Freunde und Bekannte diese Veränderungen wahrnehmen. Um diese Wissenslücke zu schließen, analysierten die Psychologen Julia Rohrer und Prof. Dr. Stefan Schmukle von der Universität Leipzig, Prof. Dr. Boris Egloff von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Dr. Michal Konsinski von der Stanford University (USA) und Dr. David Stillwell von der University of Cambridge die Persönlichkeitsprofile von über 10.000 Nutzern der Facebook-App myPersonality im Alter zwischen 14 und 29 Jahren.

Das Besondere dieser Untersuchung war, dass die Nutzer nicht nur selbst Persönlichkeitsfragebögen ausfüllten, sondern zusätzlich auch von Facebook-Freunden eingeschätzt wurden. Das ermöglichte es den Forschern zu prüfen, ob sich die Veränderungen mit dem Alter nicht nur im Selbstbericht, sondern auch im Fremdbericht durch Bekannte wiederfinden. Zudem erlaubten es die Daten, zu untersuchen, wie hoch die Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdperspektive ist.
„Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Alterseffekte im Selbstbericht denen in der Einschätzung durch Bekannte ähneln. Ältere Personen berichten, dass sie extrovertierter, gewissenhafter und offener für neue Erfahrungen sind – und die Persönlichkeitseinschätzungen durch Bekannte zeigen die gleichen Trends“, erklärt Rohrer. Allerdings gab es auch Punkte, in denen Uneinigkeit herrschte: Während ältere Befragte berichteten, dass sie emotional stabiler seien, teilten ihre Bekannten nicht diese Fremdeinschätzung. „Ein möglicher Grund dafür ist, dass Anzeichen von niedriger emotionaler Stabilität – wie übermäßige Besorgtheit und Ängstlichkeit – von außen nicht so gut sichtbar sind. Deswegen bemerken Außenstehende vielleicht nicht, dass jüngere Erwachsene vergleichsweise weniger emotional stabil sind“, schlägt Egloff als eine Erklärung des Befundes vor.

Weiterhin betrachteten die Forscher die Stärke der Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbericht und fanden, dass diese mit zunehmendem Alter ansteigt. Die Forscher interpretieren dies als ein mögliches weiteres Anzeichen der Persönlichkeitsreifung. „Inhaltlich scheint das zunächst plausibel, und mehrere Erklärungen hierfür sind denkbar. Zum Beispiel könnte es sein, dass mit zunehmender Reife die Personen selbst ihre Persönlichkeit präziser einschätzen können oder, dass sie sich in Beziehungen zu anderen authentischer verhalten und deswegen andere ihre Persönlichkeit genauer beurteilen können“, sagt Schmukle. Er schlägt vor, die Ergebnisse in Studien zu überprüfen, in denen man die gleichen Personen über einen längeren Zeitraum verfolgt und beobachtet, wie sich die Persönlichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven über die Zeit hinweg ändert.

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julia.rohrer@uni-leipzig.de
schmukle@uni-leipzig.de